UX braucht Hände, nicht nur Haltung

UX-Design wird gerne als strategische Disziplin verkauft. Mit Prozessen, Modellen, Rollen und Ritualen. Klingt wichtig. Ist aber oft nur Fassade. Denn was wirklich zählt, ist die Fähigkeit, Dinge in die Hand zu nehmen. Nicht zu reden, sondern zu machen. Nicht zu planen, sondern zu bauen.

Darum geht’s in diesem Beitrag

  • Warum Haltung allein im UX-Design nicht ausreicht – Werte und Prinzipien sind wichtig, aber nicht genug.
  • Was „Hände“ bedeuten – konkrete Arbeit mit Prototypen, Tests, Interviews und Entscheidungen im Projektalltag.
  • Wo Haltung glänzt – als Orientierung, Mut und kritischer Kompass für Teams.
  • Wo Praxis zählt – Szenarien, in denen nur Handwerk und Umsetzung echte Wirkung bringen.
  • Kritische Fragen für die Zukunft – wie man Haltung und Handeln verbindet, ohne in Dogmen zu erstarren.

Theorie ist nett. Aber sie bringt dich nicht durch ein Projekt.

Ich habe es in über 25 Jahren als Designer wahnsinnig oft erlebt – und erlebe es noch heute –, dass UX zu einer PowerPoint-Disziplin verkommen ist. Da wird wochenlang diskutiert, dokumentiert, visualisiert – aber niemand klickt mal auf einen echten Button. Niemand testet, ob der Flow funktioniert. Niemand fragt, ob die Nutzer überhaupt verstehen, was sie da tun sollen.

Was dich jedoch durch ein Projekt bringt, ist die Fähigkeit, anzupacken! Nicht zu lange zu diskutieren, sondern zu zeigen. Nicht auf den perfekten Research zu warten, sondern mit dem zu arbeiten, was da ist. Nicht auf den nächsten Sprint zu schielen, sondern im Jetzt zu handeln.

Hands-on heißt: anfangen, bevor alles perfekt ist

Ich arbeite anders. Ich baue früh. Ich teste schnell. Ich lerne im Tun. Weil ich weiß: Ein klickbarer Prototyp bringt in der Regel mehr Erkenntnis als zehn Meetings. Ein ausgiebiges Gespräch mit ein paar echten Kund:innen ist wertvoller als jede hypothetische Persona. Und ein simpler Flow zeigt mehr als jede Journey Map.

Ein Beispiel: In einem Projekt zur Optimierung eines Buchungsprozesses wurde tagelang diskutiert, wie viele Felder nötig sind. Die einen wollten alles abfragen, die anderen so wenig wie möglich. Ich habe einen Prototyp gebaut – drei Screens, zwei Buttons, ein klarer Ablauf. Nach fünf Minuten Test war klar: Das Problem war nicht die Anzahl der Felder, sondern die Reihenfolge. Kein Workshop hätte das gezeigt.

UX ist kein Konzept. UX ist ein Prozess – mit Dreck unter den Fingernägeln

Ich habe nichts gegen Struktur. Aber ich habe etwas gegen Dogmen. UX ist keine Religion. Es ist ein Werkzeugkasten. Und den muss man benutzen, nicht bewundern!

Hands-on heißt für mich:

  • Ich baue, bevor ich beweise.
  • Ich teste, bevor ich überzeuge.
  • Ich zeige, bevor ich erkläre

Ich arbeite visuell, konkret, iterativ. Ich denke in Flows, nicht in Folien. Ich will Wirkung – nicht Applaus.

Praxis ist unbequem – und genau deshalb so wichtig

Theorie ist sauber. Praxis ist schmutzig. In der Theorie funktionieren alle Prozesse. In der Praxis fehlen Daten, Ressourcen, Zeit. Und genau da zeigt sich, wer UX wirklich kann: Wer mit dem arbeitet, was da ist. Wer improvisiert, ohne beliebig zu werden. Wer Klarheit schafft, ohne alles zu wissen.

Ich habe Projekte erlebt, in denen ein einziger Gesprächsfetzen mehr bewegt hat als drei Wochen Research. Ich habe Designs gebaut, die Nutzer sofort verstanden haben – ohne dass sie je in einem Testlabor saßen. Und ich habe gelernt: Gute UX entsteht nicht durch perfekte Abläufe, sondern durch Haltung, Erfahrung und Kommunikation.

Mein Fazit

UX ohne Hands-on ist wie Kochen ohne Herd. Man kann viel planen, aber am Ende fehlt das Entscheidende: die Erfahrung im Tun. Ich arbeite nutzerzentriert, aber nicht dogmatisch. Ich bin pragmatisch, aber nicht beliebig. Ich glaube an Wirkung – nicht an Buzzwords. Und ich weiß: Gute UX entsteht nicht durch Theorie, sondern durch Praxis. Und die beginnt mit dem ersten Klick.

Wer hat's geschrieben?

  • Christoph
    UX-Designer

    Christoph ist UX-Professional mit über 25 Jahren Erfahrung. Bei der Haufe Group verantwortet er mit seinen Kolleg:innen die UX der Cloud-Software Lexware Office. Praxisnah, direkt und nutzerzentriert hat er keine Geduld für Dogmen. In seinen Texten betont er: UX bedeutet Wirkung, nicht Selbstbespiegelung. Er kämpft für Klarheit, bricht Regeln, wenn sie hinderlich sind, und zeigt: Gute Produkte entstehen nicht durch Konsens, sondern durch mutige Entscheidungen.

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