Darum geht’s in diesem Beitrag
- Warum UX-Theorie erstmal sauber klingt – mit Research, Personas, Wireframes, Testing und Iteration.
- Weshalb diese Lehrbuch-Prozesse in der Praxis oft scheitern – Zeitdruck, knappe Budgets und unklare Ziele.
- Wie echte Projekte trotzdem vorankommen – mit Pragmatismus, Improvisation und mutigen Entscheidungen.
- Wo Praxis glänzt – Beispiele, in denen schnelle Lösungen mehr Wirkung haben als perfekte Modelle.
- Kritische Fragen für den Alltag – wie man Wirkung erzielt, ohne sich von Theorie bremsen zu lassen.
Theorie: Schön für Folien, schlecht für echte Produkte
In Studiengängen, Workshops und Bootcamps wird UX als strukturierter Ablauf verkauft – mit klaren Rollen, viel Zeit und idealen Nutzergruppen. Es gibt Modelle, Frameworks, Double Diamonds und Charts. Alles sieht ordentlich aus, alles wirkt nachvollziehbar.
Das Problem: Diese Theorie funktioniert nur unter Laborbedingungen. Sobald Budget, Zeit und Stakeholder ins Spiel kommen, kippt die Realität. Dann helfen keine bunten Präsentationen und schöne Worte, sondern Entscheidungen.
Und genau da versagt die Theorie: Sie liefert Sicherheit für interne Diskussionen – aber keine Lösungen für echte Nutzerprobleme.
Praxis: Was wirklich zählt
Ich arbeite mit echten Teams, echten Deadlines und echten Einschränkungen. Und da sieht UX in der Regel völlig anders aus:
- Ich spreche mit Kolleg:innen vom Support, weil für die Befragung von echten Nutzern keine Zeit mehr ist.
- Ich baue klickbare Prototypen, bevor irgendjemand „Research“ sagen kann.
- Ich übersetze Business-Ziele in Interface-Logik und setze mich mit Entwicklern und weiteren Stakeholdern an einen Tisch.
- Ich streiche Funktionen, die keiner braucht – auch wenn sie im Lastenheft stehen.
- Ich entscheide pragmatisch, weil ich weiß: Jede Stunde Diskussion kostet mehr als ein schneller Test.
UX heißt für mich: Klarheit schaffen. Entscheidungen vorbereiten. Dinge besser machen. Nicht: Methoden durchdeklinieren.
Warum ich von der Theorie wenig halte
Es geht nicht darum, Theorie grundsätzlich abzulehnen. Es geht darum, zu verstehen, wann sie im Weg steht:
- Sie verlangsamt: Während Teams Frameworks diskutieren, warten Nutzer:innen auf Lösungen.
- Sie vernebelt: Personas und Modelle schaffen Distanz, statt echte Bedürfnisse sichtbar zu machen.
- Sie entmündigt: Wer sich auf Prozesse verlässt, verliert den Mut zur eigenen Entscheidung.
Ich habe Projekte erlebt, in denen ein einziger Gesprächsfetzen mehr gebracht hat als zehn Seiten Research-Doku. Ich habe unzählige Lösungen gebaut, die Nutzer sofort verstanden haben – ohne dass diese je einen Testprozess durchlaufen hätten. Ich habe Features gestrichen, die in jeder Persona-Analyse als „wichtig“ galten – und plötzlich war das Produkt klarer. Gute UX entsteht nicht durch perfekte Abläufe, sondern durch Haltung, Erfahrung und Kommunikation.
Natürlich schadet es nicht, die Theorie hinter dem Design-Thinking-Prozess zu verstehen, aber in der Praxis geht eine Theorie eben oft an der Realität vorbei. Weil sie Prozesse beschreibt, aber keine Menschen. Weil sie vorgibt, was „richtig“ ist – statt zu fragen, was funktioniert. Theorie liefert Sicherheit. Praxis liefert Wirkung. Und Wirkung schlägt Sicherheit. Immer.
Mein Ansatz
Ich arbeite nutzerzentriert – aber nicht dogmatisch. Ich höre zu, frage nach, denke mit. Ich visualisiere, statt zu diskutieren. Ich bringe Dinge auf den Punkt. Ich baue lieber einen groben Flow, den man sofort testen kann, als ein perfektes Wireframe, das nie jemand benutzt.
Und ich weiß, wann man loslassen muss. Wann ein Feature nicht gebraucht wird. Wann ein Prozess zu kompliziert ist. Wann ein schnell gebauter Prototyp mehr bringt als ein langes Meeting.
UX ist für mich kein Prozess. Es ist eine Haltung. Eine Haltung, die sich an echten Menschen orientiert – nicht an Templates.
Mein Fazit
Theorie ist nett. Praxis ist notwendig. UX entsteht nicht durch bunte Folien, sondern durch Entscheidungen. Nicht durch Frameworks, sondern durch Verantwortung.
Ich bin UX-Designer. Ich arbeite lieber, als PowerPoints zu basteln. Und wenn das Streit bedeutet – dann streite ich. Denn Stillstand ist schlimmer als Konflikt.



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